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Kreutz & Partner

Wie Corona uns den Spiegel vorhält – Gedanken zur aktuellen Lage

Zuletzt aktualisiert am 22. Dezember 2020

Ja, es ist sur­re­al. Und doch ist es unse­re neue Rea­li­tät. Zunächst moch­te man es kaum glau­ben: Schu­len und Kitas geschlos­sen, Gas­tro­no­mie und Clubs geschlos­sen, bleibt zuhau­se. Und das eine beherr­schen­de The­ma: die Pan­de­mie. Sie dik­tiert qua­si unser Leben, gibt den Takt vor und schränkt das Leben von Mil­li­on Men­schen dras­tisch ein. Wir sind mit­ten in einer völ­lig neu­en Situa­ti­on, mit der wir ler­nen müs­sen zu leben.

Wir müs­sen unse­re Rou­ti­nen umbau­en und unser Han­deln hin­ter­fra­gen, müs­sen Kin­der zu Hau­se bei Lau­ne hal­ten und dem Drang wider­ste­hen im auf­kei­men­den Früh­ling raus­zu­stür­men und die Welt zu umar­men. Statt­des­sen sind wir ver­dammt zu Hau­se zu hocken und mit den gege­be­nen Mit­teln des digi­ta­len Zeit­al­ters mit der Mit­welt in Kon­takt zu blei­ben. News­ti­cker, die Nach­rich­ten, Twit­ter Trend “Coro­na”, Gerüch­te, Befürch­tun­gen, Ängs­te, Exis­tenz­ängs­te, …  Ja, es kann einem schon mul­mig wer­den, bei den Nach­rich­ten die­ser Tage. Und doch gibt es auch den ande­ren Blick: vom erzwun­ge­nen Shut-Down zur Ent­schleu­ni­gung, raus aus dem Hams­ter­rad und mal reflek­tie­ren, was es sonst noch gibt im Leben. Wie wir auf die­se Kri­se schau­en, beein­flusst nicht nur unse­ren Gemüts­zu­stand, son­dern defi­niert auch maß­geb­lich was aus uns als Gemein­schaft, als Gesell­schaft wird.

Von der Panik zur Apokalypse

Hams­ter­käu­fe gab es schon recht früh in der Coro­na-Chro­no­lo­gie. Es gibt Men­schen, deren Urängs­te von der Coro­na-Kri­se ange­spro­chen wer­den. Die Angst vor dem Zusam­men­bruch des Sys­tems wur­de durch Hol­ly­wood und Sci­ence Fic­tion zu düs­te­ren, rea­lis­tisch gezeich­ne­ten Bil­dern. Jetzt wird das End­zeit­sze­na­rio durch eine glei­cher­ma­ßen abs­trak­te und doch sehr töd­lich-greif­ba­re Bedro­hung befeu­ert. Was hilft gegen die Apo­ka­lyp­se? Alko­hol? Des­in­fek­ti­ons­mit­tel?Atem­schutz­mas­ken

Toi­let­ten­pa­pier? Dann wohl eher doch Impf­stof­fe (dau­ert wohl noch sie­he hier) oder Medi­ka­men­te und vor allem Mit­ge­fühl und Solidarität!

Die Wiederentdeckung von Mitgefühl und Solidarität

Es geht auch anders: gelei­tet von Umsicht, Rück­sicht und ja auch ein klein biss­chen Demut (gibt es eh viel zu sel­ten) meis­tert der größ­te Teil der Deut­schen die doch erheb­li­chen Beschrän­kun­gen des All­tags. Nicht nur das Respek­tie­ren der so drin­gend not­wen­di­gen neu­en Regeln des Social Distancings, auch die Kon­takt­auf­nah­me (und sozia­le Nähe) auf digi­ta­lem Wege: wir grei­fen häu­fi­ger zum Tele­fon, um die Stim­men gelieb­ter Men­schen zu hören und ein­ge­schla­fe­ne Freund­schaf­ten zu reaktivieren.

Auch wenn extre­me Bei­spie­le für Ego­is­mus und Rück­sichts­lo­sig­keit die Run­de machen, es gibt auch ein Gefühl der Zusam­men­ge­hö­rig­keit, des Mit­ein­an­ders. Coro­na lässt uns zusam­men­rü­cken. Und zwar über das “Klat­schen” für die Mit­ar­bei­ter des Gesund­heits­sys­tems als Flash­mob hin­aus. Ver­mie­ter redu­zie­ren in Not gera­te­nen Klein­un­ter­neh­men die Mie­te wäh­rend der behörd­li­chen Schlie­ßung. Ein Her­stel­ler von Pfle­ge­pro­duk­ten stun­det sei­nen Kun­den die kom­plet­ten Außen­stän­de bis zum Ende der Krise.

Mit­tel­ständ­ler las­sen auch unge­nutz­te Flä­chen wei­ter von ihrem Rei­ni­gungs­dienst­leis­ter regel­mä­ßig put­zen. Mini-Job­ber wer­den wei­ter­hin bezahlt – auch dort, wo Home­of­fice kei­ne Opti­on ist. Die­se Bei­spie­le bewei­sen Soli­da­ri­tät und machen Mut. Es wäre doch schön, wenn wir uns nicht zurück­zie­hen und den Shut­down immer wei­ter­trei­ben, son­dern uns aktiv dem Domi­no-Effekt ent­ge­gen­stel­len und denen hel­fen, die beson­ders hart von den Aus­wir­kun­gen getrof­fen sind.

Aber auch im pri­va­ten, sozia­len Umfeld gibt es die­se Mut machen­den Bei­spie­le: die Auf­merk­sam­keit für die Men­schen in unse­rer Umge­bung, beson­ders älte­re und vor­er­krank­te, soge­nann­te Risi­ko­grup­pen, hat sich deut­lich erhöht. Die Bereit­schaft Hil­fe anzu­bie­ten ist rie­sig und kann Dank digi­ta­ler Tech­no­lo­gie auch unkom­pli­ziert und kon­takt­los orga­ni­siert wer­den! Und damit kom­men wir zu einem ganz ent­schei­den­den Aspekt: wir haben Tech­no­lo­gien zur Hand, deren Poten­zi­al wir nur zu einem sehr gerin­gen Maß aus­nut­zen. Jetzt bie­ten sich für Gesell­schaft, Wirt­schaft und Ver­wal­tung die Chan­ce enor­me Poten­zia­le zu heben.

Ein Tabu? Das Beste aus der Krise machen.
Denn sie wird vorüber gehen.

Obwohl digi­ta­le Tech­no­lo­gien seit Jah­ren schein­ba­re Nor­ma­li­tät in unse­rem beruf­li­chen und pri­va­ten All­tag sind (Cebit adé), wer­den digi­ta­le Tech­no­lo­gien meist nur an Ober­flä­che oder im Offen­sicht­li­chen ein­ge­setzt. Der Han­del ist im E‑Commerce ange­kom­men, Indus­trie­un­ter­neh­men haben Tei­le der Sup­p­ly Chain digi­ta­li­siert und Ener­gie­an­bie­ter konn­ten sich unter leich­tem Druck durch­rin­gen digi­ta­le Zäh­ler zu instal­lie­ren. Doch digi­tal heißt nicht direkt auch smart. Und auch nicht wert­schöp­fend. Schon gar nicht inno­va­tiv oder bahn­bre­chend / game­ch­an­ging. Doch genau das ver­mö­gen digi­ta­le Platt­for­men, Block­chain, vir­tu­el­le For­ma­te und digi­ta­li­sier­te, am Kun­de aus­ge­rich­te­te Pro­zes­se. Jetzt wäre eine gute Zeit die Akti­vi­tä­ten im Bereich Digi­ta­li­sie­rung auf den Prüf­stand zu stellen.

Natür­lich kämp­fen Vie­le ums Über­le­ben. Das ist unbe­nom­men und muss aner­kannt und idea­ler­wei­se gezielt bekämpft wer­den. Den­noch: vie­le mit­tel­stän­di­sche Unter­neh­mer, mit denen ich spre­chen konn­te, gehen von einem Worst Case von 20% Umsatz­rück­gang in 2020 aus. Durch Kurz­ar­beit las­sen sich die Kos­ten sehr rasch anpas­sen, lau­fen­de Kos­ten (Ver­brauchs­ma­te­ri­al, Ener­gie, usw.) sind teil­wei­se bzw. zu einem gro­ßen Teil absenk­bar, wäh­rend Fix­kos­ten­blö­cke für Inven­tar, Gebäu­de und Fuhr­park nicht fle­xi­bel ange­passt wer­den kön­nen. Wenn Rück­la­gen bestehen und wir mal die Apo­ka­lyp­se als Sze­na­rio aus­schlie­ßen, wird es in nähe­rer Zukunft wie­der “los­ge­hen”.

Die Unter­neh­men, die die Kri­se über­le­ben und die­se gleich­zei­tig genutzt haben, Ihre Pro­zes­se zu opti­mie­ren, Ein­satz­mög­lich­kei­ten von digi­ta­ler Tech­no­lo­gie ent­lang der Wert­schöp­fung zu prü­fen und umzu­set­zen, wer­den in der Pole Posi­ti­on sein. Remo­te arbei­ten als Erfolgs­fak­tor statt Hygie­ne­fak­tor ein­set­zen. Inno­va­tio­nen mit­tels digi­ta­ler Ide­a­ti­onplatt­for­men ermög­li­chen, neue Geschäfts­mo­del­le erdenken, Mit­ar­bei­ter in digi­ta­len Tech­no­lo­gien und agi­len Arbeits­wei­sen qua­li­fi­zie­ren und wei­ter­bil­den, Pro­dukt­port­fo­lio auf den Prüf­stand stel­len und den Go-to-Mar­ket über­prü­fen und neu den­ken. Als inte­grier­ten Ver­mark­tungs­an­satz ent­lang des Kun­den­le­bens­zy­klus. Das alles wäre möglich.

Eine andere soziale Gesellschaft?
Etwas weniger Wut, Hass und Rohheit?

Was wir den­ken, prägt unser Han­deln und unser Auf­tre­ten und unse­re Wir­kung auf ande­re. Wenn ich Klo­pa­pier hams­te­re und Angst vor einem End­zeit­sze­na­rio habe, dann wer­de ich wohl kaum sou­ve­rän mit mei­nen Kol­le­gen, Kun­den und Lie­fe­ran­ten spre­chen. Und ver­mut­lich mei­ner Mit­welt mit Skep­sis und Miss­trau­en begeg­nen. Wenn ich hin­ge­gen opti­mis­tisch blei­be und an die Über­win­dung die­ser Mensch­heits­her­aus­for­de­rung glau­be, dann kann ich groß­zü­gig sein und ande­ren hel­fen, dann grü­ße ich den Frem­den auf der Stra­ße, statt mich ange­wi­dert weg­zu­dre­hen. Hel­fe der alten Dame im Nach­bar­haus beim Ein­kauf oder beim Gas­si­ge­hen mit Dackel Wal­de­mar. Soli­da­ri­sie­re mich mit dem Rest mei­nes Veedels, mei­nes Kiezes oder mei­ner Stadt. Spen­de Trost, wo er gebraucht wird und höre zu, wo ein offe­nes Ohr gefragt ist. Und wenn das so ist und eine Mehr­heit die­se Erfah­run­gen in der Coro­na-Kri­se teilt, dann haben wir die his­to­ri­sche Chan­ce, der zuneh­men­den Ver­ro­hung in unse­rer Gesell­schaft eine Absa­ge zu ertei­len, zumin­dest aber eine mäch­ti­ge Gegenbewegung.

Der Tag nach Corona. Nichts wird sein, wie es war.

Nichts wird sein, wie es war. Die­se nie dage­we­se­nen Aus­wir­kun­gen wer­den unse­re Sicht­wei­sen ver­än­dern. Wie wir Arbeit und Pri­vat­le­ben betrach­ten. Wie wir sozia­le Nähe schät­zen. Wie wir auf uns und unse­re Mit­men­schen ach­ten. Zumin­dest besteht die­ses Poten­zi­al. Und viel­leicht hat die­se Kri­se noch mehr Game­ch­an­ging Poten­zi­al. Wir könn­ten gesun­der mit uns selbst umge­hen, mehr in uns rein­hö­ren und Signa­le von Über­las­tung, see­li­schen und emo­tio­na­len Ungleich­ge­wich­ten bes­ser erspü­ren. Näher bei uns sein. Und uns fra­gen: wie viel bin ich bereit an Ener­gie zu geben? Was bin ich bereit zu leis­ten? Und was ist mir wich­tig im Leben? Die­se exis­ten­ti­el­len und gro­ßen Fra­gen könn­ten Kon­sum und Rast­lo­sig­keit aus­ste­chen oder zumin­dest gleichziehen.

Weniger Dienstreisen – mehr virtuelles kommunizieren und arbeiten.

In Bezug auf unse­re Arbeits­welt wer­den wir viel­leicht fest­stel­len, dass Home­of­fice mehr ist als im Schlaf­an­zug lust­los vor dem Rech­ner zu sit­zen und wäh­rend stumm­ge­schal­te­ter Video­kon­fe­ren­zen (natür­lich) ohne Bild Gott-weiß-was-machen. Remo­te Arbei­ten kann hoch pro­duk­tiv sein oder auch nicht. Es liegt an den Orga­ni­sa­tio­nen und Füh­rungs­kräf­ten Raum und Mög­lich­kei­ten zu schaf­fen. Die Tech­nik ist dabei die kleins­te Her­aus­for­de­rung. Es geht um Metho­den, Kennt­nis­se und Fähig­kei­ten, Regeln der Zusam­men­ar­beit  und kla­re Abspra­chen. Viel­leicht müs­sen wir auch nicht mehr so viel rei­sen. Vie­le Geschäfts­rei­sen sind bei­des, unpro­duk­tiv und extrem unwirt­schaft­lich. So kön­nen wir gleich­zei­tig posi­ti­ve Effek­te für Kli­ma und Umwelt schaf­fen. Und damit letzt­lich für uns alle. Schö­ner Gedan­ke. Und davon brau­chen wir gera­de jede Men­ge. Denn: wir wer­den was wir denken.

Von K&P Redaktion

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22. Dezember 2020

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